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So wähle ich wirklich smart

Kumulieren, panaschieren, streichen oder gleich eine neue Liste beginnen? Die «Bund»-Wahlhilfe zeigt Ihnen auch 2020, wie Sie Ihren Willen am besten auf den Wahlzettel bringen – und spart nicht mit fiesen Tricks.

Dölf Barben, Christian Zellweger
Aktualisiert am 6. November 2020

Wie kann ich eine Kandidatin auf die Überholspur stellen und ihren Konkurrenten ausbremsen? Wann ist es sinnvoll, einen Kandidaten zu kumulieren, wann ist es besser, ihn zu streichen? Gibt es Tricks – fies, aber noch legal –, mit denen ich den politischen Gegner dazu bringen kann, aus meiner Sicht «richtig» zu wählen?

Dieses Tool will jede Berner Wählerin und jeden Berner Wähler dazu ermächtigen, die ureigenen Interessen mit hohem Wirkungsgrad in wuchtige Stimmkraft umzuwandeln. Wer das System durchschaut, ist nicht mehr auf fadenscheinige Ratschläge von Parteien und Kandidaten angewiesen, er bearbeitet den eigenen Wahlzettel gezielt und lustvoll – statt ihn unverändert oder gar nicht einzuwerfen.

Das System

Proporz oder Majorz?

Erst am Schluss wird geschaut, welche Personen auf den einzelnen Listen am meisten Stimmen erhalten haben und die Sitze erhalten, die der entsprechenden Liste zustehen.

Wichtiges Detail: Listenverbindungen sind nur bei den Stadtratswahlen zugelassen.

Kontrollfrage: Ist es möglich, dass jemand auf einer Liste Rang 1 einnimmt und doch keinen Sitz gewinnt? – Ja. Dann nämlich, wenn seine Liste insgesamt so wenige Stimmen erhält, dass es nicht für einen Sitz reicht.

Kumulieren und panaschieren?

Wählen kann ein kreativer Vorgang sein. Grundsätzlich kann man nicht mehr Namen aufschreiben als es Zeilen hat, sonst ist fast alles erlaubt (siehe: Anfängerfehler).

Dabei gibt es zwei wichtige Gestaltungsmöglichkeiten: Man kann Namen erstens doppelt aufschreiben, bzw. kumulieren (wenn eine vorgedruckte Liste voll ist, muss man dafür einen anderen Name streichen) und man kann Namen von anderen Listen «importieren», bzw. panaschieren.

Selbstverständlich kann man die listenfremden Namen auf der eigenen Liste auch kumulieren.

Kontrollfrage: Kann man auf einer vorgedruckten Liste einen Namen streichen und den gleichen Namen an anderer Stelle von Hand wieder einfügen? – Ja. Die Leute im Abstimmungsausschuss werden sich allerdings ihre Sache dabei denken.

Was wollen die Parteien?

Die Parteien empfehlen den Wählerinnen und Wählern meistens, ihre vorgedruckte Liste unverändert einzuwerfen. Die Absicht dahinter: Auf diese Weise gehen erstens alle Linien an die Partei, was für sie das wichtigste ist (da ja zuerst die Linien als Parteistimmen zählen).

Zweitens geraten so keine fremden Kandidaten auf die Liste (jeder parteifremde Name bedeutet eine Stimme weniger für die Partei, noch schlimmer sind kumulierte Namen von Fremden – unbedenklicher sind Namen, die von verbundenen Listen stammen).

Und drittens werden Gewichtungen der Partei übernommen – zum Beispiel, wenn Spitzenkandidaten vorkumuliert sind.

Kontrollfrage: Muss man eine Parteiliste unverändert einwerfen. – Nein, das ist bloss ein frommer Wunsch der Partei.

Wann gibt es einen Sitz?

Im Proporzverfahren, wie es in der Stadt Bern gilt, hat eine Liste dann einen Sitz auf sicher, wenn sie eine bestimmte Prozentzahl der abgegebenen Stimmen erreicht. Dabei kommt es auf die Anzahl der zu vergebenden Sitze an.

Die entscheidende Prozentzahl wird so errechnet: 100 geteilt durch die um eins vermehrte Zahl der zu vergebenden Sitze.

Für den Gemeinderat mit 5 Sitzen sieht die Formel so aus: 100 geteilt durch (5+1) = 16,67. Erreicht eine Partei mindestens diesen Wert oder das Zwei-, Drei- oder Vierfache davon, hat sie einen, zwei, drei oder vier Sitze auf sicher. Im 80-köpfigen Stadtrat braucht es 1,235 Prozent der Stimmen für einen Sitz (100 durch 81).

Kontrollfrage: Können in einem fünfköpfigen Gremium sechs Sitze vergeben werden? Nein. Auch theoretisch nicht.

Listenverbindungen

Zwei oder mehr Parteien können ihre Listen verbinden. Bei der Sitzverteilung werden die verbundenen Listen in einer ersten Phase als «ein Organismus» betrachtet. Nachdem klar ist, wie viele Sitze dieser Organismus erhält, werden diese Sitze intern verteilt.

Der Vorteil von Listenverbindungen: Es gehen weniger überschüssige Stimmen verloren. Beispiel: Partei A und B haben Stimmen erhalten für je anderthalb Sitze. Ohne Listenverbindung kommen sie auf je einen Sitz. Mit einer Listenverbindung holen sie drei Sitze (auch die beiden halben). Welche Partei den dritten Sitz erhält, wird in einer zweiten Verteilung entschieden.

Meistens verbinden Parteien ihre Listen, die sich ohnehin schon nahe stehen – so wie zum Beispiel SVP und JSVP oder SP und Grüne.

Kontrollfrage: Dürfen zum Beispiel die FDP und die EDU ihre Listen verbinden? Ja. Allerdings ist nicht alles, was erlaubt ist, auch logisch.

Unterlistenverbindungen

Diese funktionieren nach dem gleichen Prinzip wie Listenverbindungen. Es geht einfach eine Ebene weiter. Beispiel: SVP und JSVP können eine Unterlistenverbindung (SVP + JSVP) und dann noch eine Listenverbindung eingehen: ((SVP + JSVP) + (FDP) + (CVP)).

Spezialfall Listenverbindung in Bern

Wichtiger Punkt: Bei den Berner Stadtratswahlen (80 Sitze) sind Listenverbindungen erlaubt und werden auch häufig gemacht. Bei den Gemeinderatswahlen (5 Sitze) hingegen nicht!

Das ist der tiefere Grund dafür, warum sich Kandidierende aus verschiedenen Parteien auf einzelne Listen drängen. Wären Listenverbindungen erlaubt, könnten zum Beispiel die Kandidaten von CVP, BDP, GLP und EVP auf eigenen Listen antreten und bräuchten keine Einheitsliste zu bilden (wobei das bei nur fünf Kandidaten etwas unübersichtlich würde).

Der Zweck der Einheitslisten (Mitte-Liste, Rot-Grün-Mitte, Bürgerliches Bündnis) ist somit der, überschüssigen Stimmen eine Wirkung zu geben, die sonst einfach verpuffen würden.

Kontrollfrage: Kann man auf Listen, die nicht verbunden sind, kumulieren? – Ja, sicher.

Tipps, Tricks und Trivia

Anfängerfehler
  • Bei brieflicher Stimmabgabe den Stimmausweis nicht unterschreiben. Der Wahlzettel ist ungültig.
  • Den leeren Wahlzettel verwenden und mit einer Parteibezeichnung versehen, aber keinen Kandidaten aufschreiben. Es zählt keine einzige Linie für die Partei.
  • Den leeren Wahlzettel verwenden, einen oder zwei Namen darauf schreiben, aber keine Parteibezeichnung hinzufügen. Die leeren Linien zählen für niemanden.
  • Nur die Kandidatennummern aufschreiben ohne die Namen. Keine Stimme ist gültig. Das Umgekehrte funktioniert aber, also Namen ohne Nummern.
  • Personen aufschreiben, für die kein Wahlvorschlag vorliegt (zum Beispiel: Müslüm). Der Name wird vom Wahlausschuss gestrichen. Die frei werdende Linie ist aber gültig.
  • Den Wahlzettel mit Schreibmaschine ausfüllen. Der Wahlzettel wird sogar dann als ganzer ungültig, wenn nur ein einziger Name mit Schreibmaschine geschrieben wird – oder wenn bei vorgedruckten Zetteln ein Name mit Tipp-Ex gestrichen wird. Das heisst: Jede Änderung, sogar das Durchstreichen muss von Hand erfolgen.
  • Den Wahlzettel mit der eigenen Unterschrift, mit Kennzeichnungen, Parolen oder Schimpfwörtern versehen oder Affen darauf zeichnen. Er wird ungültig.

Kontrollfrage: Muss man seinen Namen auf den Wahlzettel schreiben? – Nein, keinesfalls. Es ist nur dann empfehlenswert, wenn man selber kandidiert.

Parteien stärken und schwächen

Eine Partei maximal unterstützen: Die Liste mit Parteibezeichnung versehen und mindestens einen Kandidaten dieser Partei aufschreiben. Ob die übrigen Linien ausgefüllt sind, ist egal. Sie zählen alle für die Partei.

Wer auf die Liste «seiner» Partei Kandidaten anderer Parteien aufschreibt, schwächt «seine» Liste. Sie erhält entsprechend weniger Parteistimmen. Die Partei der panaschierten Kandidaten erhält dafür zusätzliche Listenstimmen.

Kontrollfrage: Kann man auf eine SP-Liste nur FDP-Kandidaten aufschreiben? – Ja, es ist dann am Schluss aber eine FDP-Liste.

Kandidaten stärken und schwächen

Einen einzelnen Kandidaten stärken: Die Maximalmethode besteht darin, «seinen» Kandidaten zweimal auf die Liste zu schreiben und alle anderen zu streichen.

Wer gerne Namen durchstreicht, kann auch die vorgedruckte Liste nehmen, seinen Kandidaten ein zweites Mal aufschreiben und alle anderen durchstreichen. Die dritte Variante: Eine leere Liste nehmen, seinen Kandidaten zweimal draufschreiben. Nicht vergessen: Den Parteinamen auf die Liste schreiben. Die leeren Linien zählen alle für die Partei.

Einen Kandidaten schwächen: Der erste Schritt besteht darin, ihn gar nicht zu wählen. In einem zweiten Schritt kumuliert man die Kandidaten, die ungefähr gleich stark sind wie er oder leicht hinter ihm liegen. So erhöht man die Wahrscheinlichkeit, dass er von hinten überholt, selber aber nicht nach vorne kommt.

Kontrollfrage: Ist es legal, wenn man als Mann eine Kandidatin streicht, ohne es in irgendeiner Form gendermässig zu kompensieren? – Ja, es ist legal, aber es ist nicht gerade die Art des feinen Mannes...

Die Illegalität

Die Grenze zur Illegalität ist rasch überschritten. Verboten ist das planmässige Einsammeln, Ausfüllen oder Abändern von Wahl- oder Stimmzetteln. Verboten ist, einen Stimmberechtigten an der Ausübung seines Wahlrechts zu hindern oder ihn zu nötigen, sein Wahlrecht in einem bestimmten Sinn auszuüben.

Verboten ist weiter, jemandem ein Geschenk oder andere Vorteile anzubieten, damit er in einem bestimmten Sinn abstimmt oder, umgekehrt, an einer Abstimmung nicht teilnimmt.

Kontrollfrage: Darf man sich selber dazu überreden, an einer bestimmten Wahl nicht teilzunehmen? – Ja, wenn man einverstanden ist, gibt es kein Problem.

Da ärgert sich der Wahlausschuss

Wenn Sie ihren Stimmzettel sieben Mal falten, werden die Leute im Wahlausschuss keine Freude haben. Aber es ist erlaubt. Im Gesetz über die politischen Rechte steht lediglich, der Zettel sei ins dafür vorgesehene Kuvert zu legen.

Allerdings gibt es so etwas wie eine natürliche Limite: Es ist unmöglich, einen Stimmzettel – oder irgend einen Zettel – mehr als sieben Mal zu falten. Sie können es ausprobieren.

Wenn Sie, aus purer Freude am Wählen, einen vorgedruckten Wahlzettel nehmen, alle Namen streichen und von Hand neue Namen hinschreiben, werden die Leute im Wahlausschuss einander anschauen.

Kontrollfrage: Dürfen die Leute vom Wahlausschuss während des Auszählens über bestimmte Wahlzettel Witze reissen? – Ja.

Bürgerliches Bündnis


Thomas Fuchs (SVP)
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Bernhard Eicher (FDP)
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Simone Richner (JF)
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Mitte-Liste


Reto Nause (CVP)
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Marianne Schild (GLP)
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Claudio Righetti (BDP)
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Bettina Jans-Troxler (EVP)
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Corina Liebi (jGLP)
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RotGrünMitte


Michael Aebersold (SP)
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Franziska Teuscher (GB)
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Alec von Graffenried (GFL)
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Marieke Kruit (SP)
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Ensemble c'est tout


Stefan Theiler (ECT)
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Valentina Velkova (ECT)
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Ralph Sölch (ECT)
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Felix Höfler (ECT)
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