Die «Züglete» der Marzili-Biber
Den Bibern ist «vögeliwohl»
Es ist der 9. Oktober. Um 8 Uhr morgens kommen 7 Leute ins Berner Marzilibad. Neben Baggerführer, Wildhüter, Bauplaner und Archäologen steht auch Christof Angst, Biologe und Leiter der Biberfachstelle, beim grossen Biberbau, mit Taschenlampe in der Hand, Kamera um den Hals und Bauhelm auf dem Kopf. Das Wichtigste für ihn: die Unversehrtheit der Biber, wenn die schwere Greifzange des Baggers behutsam das alte Eigenheim abreisst. Im Rahmen der Marzili-Sanierung wird ein Schwimmkanal gebaut, der dem Seeli frisches Aarewasser zuführt. Im Bueber wird künftig wieder gebadet. Neben Baumaschinen und Badegästen bleibt für die Biber kein Platz mehr.
Die Aufgabe von Christof Angst war nach dem Abriss nicht zu Ende. Akribisch beobachtet er seine pelzigen und plötzlich obdachlosen Schützlinge bis heute. Vor dem Abbau hatte die Stadt Bern für 30'000 Franken einen Kunstbau errichtet und mit Futter beködert. Mit Kameras, die durch Bewegungsmelder ausgelöst werden, hat Angst den Kunstbau jederzeit im Blick.
Ein bisschen Trennungsschmerz schienen die Biber aber schon zu haben. «In der Nacht, nachdem wir den Bau abgerissen hatten, kam ein Tier zurück und suchte sein altes Zuhause», berichtet Angst, der auch im Marzili noch eine Kamera stehen liess. Die Bilder der Überwachungskamera im Kunstbau zeigten dann aber bald schon Erfreuliches: Vier Biber haben den Weg zu ihrem neuen Zuhause mehrere Hundert Meter weiter aareaufwärts gefunden und sind dabei, sich einen Wintervorrat anzulegen. «Das ist die definitive Bestätigung dafür, dass ihnen im Kunstbau vögeliwohl ist», sagt Christof Angst. Videoaufnahmen zeigen, wie die Bibereltern mit ihren zwei Jungtieren aus diesem Jahr im November Äste anschleppen und davon feine Späne abnagen, um damit ihren Bau zu polstern. «Inneneinrichtung», nennt es Angst.
Dass es dieses Happy End geben würde, das war Anfang Oktober noch nicht klar. Denn: Das Vorhaben war das erste überhaupt dieser Art und mit Risiko verbunden. «Der Umzug über diese Distanz in einen Kunstbau war ein grosses Wagnis und ein Experiment», sagt Angst. Noch nie wurden Biber über eine so grosse Distanz in einen Kunstbau umgesiedelt, in dem die Tiere mit ganz anderen Verhältnissen zurechtkommen müssen. Es bestand das Risiko, dass die Biber den eigens für sie errichteten Neubau nie beziehen würden.
An den neuen Ort müssen sich die vier Biber aber noch gewöhnen, es lauern Gefahren: Direkt am Aareufer sind sie Wasserstand und Strömung direkt ausgesetzt. Deshalb konnte die Familie das Weihnachtsfest nicht im neuen Heim verbringen. Nach den starken Regenfällen vor Weihnachten stiegen Strömung und Pegelstand deutlich an. «Die Wassermassen haben ihren Wintervorrat mitgerissen und womöglich den Kunstbau zum Teil unter Wasser gesetzt», sagt Angst. Die Biber seien geflüchtet, womöglich in den Dalmazibach, «bis sich die Situation in der Aare beruhigt». Gerne hätte er seinen Schützlingen mit der Kamera beim Weihnachtsfest zugeschaut.
Der Umzug, das Einrichten und nun die Flucht: Es waren turbulente Monate für die Biberfamilie. «Wir werden sie jetzt ein wenig ruhen lassen», so Angst. Spätestens im April wird er sein Augenmerk aber wieder verstärkt auf die Tiere richten. Dann nämlich gibts Nachwuchs. Die erste Zeit wird nicht einfach. Weil die zwei bis vier Jungtiere in ihren ersten Monaten noch nicht tauchen können, stellen Strömung und Pegelstände, die den Bau fluten, für sie eine Gefahr dar. Gut also, dass neben den Biber-eltern auch Christof Angst weiterhin zur Biberfamilie schaut. (Noah Fehnd)
Matthias Furer und die Mongol-Rally
Matthias Furer meisterte die Mongol Rally 2018
Die Diagnose: Totalschaden. Der Fiat Doblo fährt keinen Meter mehr. Im August, auf rund 4000 Meter Höhe, irgendwo im zentralasiatischen Binnenstaat Tadschikistan, denkt Matthias Furer das erste Mal ans Aufgeben. Viele Teammitglieder werden von «spritzartiger» Diarrhö geplagt, der Wind weht unbarmherzig und eisig durchs Gebirge – die Mongol Rally zeigt ihr hässlichstes Gesicht. Im Juli hatte sich Furer mit acht anderen jungen Bernerinnen und Bernern aufgemacht, um an der Mongol Rally 2018 teilzunehmen. Mit zwei Autos wollten sie quer durch Asien nach Ulan Ude in Russland fahren – des Abenteuers willen. Ist die Reise nun gelaufen, nachdem der Fiat Doblo den Geist aufgegeben hat?
Nach einem Dutzend überstandener Pannen, krampfartigen Verdauungsstörungen und den pittoresken Weiten der asiatischen Landschaft ist man sich einig: So leicht gibt das Team «Eye of the Taiga» nicht auf. Also teilt man sich auf: Vier kämpfen sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einem Flughafen durch und treten die Heimreise an. Furer und zwei Freunde setzen die Reise mit dem kleinen Fiat Panda fort. Den Fiat Doblo verscherbelt Furer vorher noch für 500 Dollar an einen Einheimischen. Der Vertrag wird auf einem Notizzettel schriftlich festgehalten. Am 9. September ist es dann so weit: Nach fast zwei Monaten erreichen sie ihr Ziel, zwei Tage vor Schluss, gerade reicht es noch auf die letzte Party der Veranstalter.
Nach ausgiebigen Feierlichkeiten erwartet sie die Rückreise durch die Mongolei. Das Auto fährt mittlerweile nicht schneller als 75 Kilometer pro Stunde, die Visa drohen abzulaufen. Deshalb geht es mit regelmässigem Fahrerwechsel ab der mongolischen Grenze ohne Pause bis nach Moskau. Nach insgesamt 36 Pannen, über 25'000 Kilometern und mit gesprungener Windschutzscheibe fährt der Fiat Panda mit seiner Fracht am 3. Oktober im bernischen Hettiswil vor. Nebst neu geschlossenen Freundschaften und neuen Erfahrungen hat Furer auch ein Souvenir nach Hause gebracht: ein Verkehrsschild, das vor streunenden Kamelen warnt. Es sei eigentlich Staatseigentum von Turkmenistan, einem der am autoritärsten regierten Länder der Erde. «Für uns war es ein lausbübischer Akt, dieses Schild mitzunehmen.» Rückblickend kann Furer heute gar eine pädagogische Quintessenz aus der Reise extrahieren: «Egal wie es kommt, es gibt immer eine Lösung.» (Céline Rüttimann)
Die Sternwarte und das neue Teleskop
Das neue Teleskop hat auch schon einen Tipp an die Russen ermöglicht
Die beiden Kuppeln haben schon fast ein wenig Kultstatus. Drei neue Teleskope hat die Sternwarte Zimmerwald vor einem Jahr eingeweiht, untergebracht sind sie in zwei holzfarbenen Kuppeln, die wie Vorboten aus einer fernen Zukunft mitten in der gemütlichen Voralpenlandschaft stehen. Spaziergänger lassen sich vor ihnen ablichten, Modefotografen haben sie schon als Sujet genutzt. Auch Thomas Schildknecht, Leiter der Sternwarte in Zimmerwald, kann über die Kuppeln und ihre Teleskope nur Gutes aus dem ersten Betriebsjahr berichten. Es habe eine gewisse Zeit beansprucht, so der Direktor, bis die Apparate operationell perfekt abgestimmt waren. Seit Mitte Herbst sind sie nun voll im Einsatz.
Das eine der drei Teleskope, die zusammen weniger als eine Million Franken gekostet haben, sucht vor allem nach neuen Objekten am Himmelsgebiet, während das andere bereits erkannte Körper weiterverfolgen und deren Bewegungen aufzeichnen soll. Um Kollisionsgefahr mit unserem Planeten zu eruieren, geht es darum, von solchen Objekten laufend den erdnächsten Punkt zu bestimmen. Natürliche Himmelskörper und deren Bruchstücke sind aber längst nicht alles, was sich mit den neuen Teleskopen erspähen lässt. «Da sind auch mal Reste von Satellitentransport-Raketen», sagt Schildknecht. Sofern sie identifizierbar sind, werden die entsprechenden Raumfahrtbehörden auch benachrichtigt. «Im vergangenen Jahr hatten wir diesbezüglich schon mit den Russen Kontakt, mit China auch.»
Der natürliche Feind der Weltraumbeobachter in Zimmerwald ist der Mondschein. «Er überstrahlt alles, man sieht viel weniger bei Vollmond», erklärt Schildknecht. Wer Objekte in 36'000 Kilometer Höhe erspähen will, braucht nicht nur ein gutes Teleskop, sondern auch die richtige Software dazu. Die sei ebenfalls nicht ganz billig. «Beim Auto kann man halt fahren, wenn man es kauft. Aber ein Teleskop braucht noch einiges mehr.»
Im neuen Jahr wollen Schildknecht und sein Team rund um die neuen Teleskope in Zimmerwald noch mehr Synergien nutzen. Das Team wurde bereits aufgestockt, womöglich braucht es noch mehr Leute. Partner sind die europäische Raumfahrtsbehörde ESA, das deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, die Landestopografie und natürlich das Verteidigungsdepartement des Bundes (VBS). Sie alle gelangen mit Forschungs- und Beobachtungsideen an die Sternwarte. Dabei ist Schildknecht eines wichtig: «Wir wollen kein Dienstleister sein. Aber von der Technik sollen möglichst viele profitieren.» (Moritz Marthaler)
Die Eisenbahn und der Sturm
Der Lokomotivführer fährt heute wieder auf der gleichen Strecke
«Allen geht es wieder gut – und wir haben viel daraus gelernt.» Hansueli Gerber, Marketing-Verantwortlicher bei der Montreux-Oberland-Bahn (MOB), ist froh, kann er heute so ein Fazit ziehen. Es hätte durchaus schlimmer kommen können an jenem 3. Januar 2018 – einem Tag, der die Welt im beschaulichen Berner Oberland kurz, aber heftig durcheinanderwirbelte. Der Sturm «Burglind» fegte damals über die Schweiz, riss Bäume und gar Tiere mit, und auch im Simmental kurz vor der Lenk gab es Böen, die mit zeitweise bis zu 150 Stundenkilometern durch die Täler zogen.
Das war selbst für einen 19 Tonnen schweren Steuerwagen der MOB zu viel. Der Wagen kippte ins Feld neben den Geleisen, die auf dem ganzen Streckennetz in der für Entgleisungen anfälligeren Schmalspur gehalten sind. Die Bergung kostete 200'000 Franken. Weil der Untergrund so morastig war, musste erst lastwagenweise Kies verteilt werden, bevor Schwertransporter die umgekippte Lokomotive wieder aus dem Dreck ziehen konnten. Mit mehr als zehn Mann war die für die Bergung eigens beauftragte Baufirma damals am Werk. Personal und Fahrgäste an Bord des Zuges wurden bei der Entgleisung arg durchgeschüttelt. Vor allem für die ahnungslosen Fahrgäste kam alles sehr unerwartet, sie wurden zum Teil weggeschleudert oder von Gepäckstücken getroffen. Acht Personen wurden bei der Aktion verletzt, eine mittelschwer, die anderen nur leicht. Allen geht es heute wieder gut.
Auch der Lokführer ist wohlauf, er wurde etwas weniger unvorbereitet getroffen, und «er fährt längst wieder auf der gleichen Strecke», weiss Gerber zu erzählen. Mit einer geistesgegenwärtigen Schnellbremsung konnte der Fahrer damals sogar noch Schlimmeres verhindern – ohne die Magnetschienenbremse wären nämlich die hinteren Wagen möglicherweise auch noch umgekippt. Die Zahl der Verletzten wäre dadurch wohl höher gewesen.
Der Vorfall habe das Personal auch bei der MOB auf die Windstärken sensibilisiert. «Aber es war schon ein seltsamer Zufall mit dieser kurzen, enorm heftigen Böe an genau dieser Stelle», sagt Gerber. Nicht einmal 1999, als das Sturmtief «Lothar» überall in der Schweiz Bäume ausriss und Schäden anrichtete, beeinträchtigte das den Zugverkehr im Simmental. Nun schliesse man auch mal einzelne Abschnitte vorübergehend, und via App überwachten sie ständig die Wetterentwicklung, erzählt Gerber. Bei Bedarf gelte es «mit viel Fingerspitzengefühl» und auch mal etwas langsamer zu fahren. Das sei halt das Schicksal mit einem Schienennetz, auf dem nur die leichter zu kippenden Schmalspurwagen fahren.
(Moritz Marthaler) Brienz und das Sprayer-Kopfgeld
Der Gemeindepräsident ist trotzdem zufrieden
Kopfgeld 1000 Franken Belohnung. Diese Summe versprach der Gemeinderat von Brienz jedem, der Hinweise lieferte, die zur Aufklärung eines Delikts führen. Besprayte Fassaden, eingeschlagene Fenster, gehäufte Schadensmeldungen von Schulen, Kirche und Privaten. Die Polizei hatte ihr Bestes gegeben, doch die Ermittlungen blieben ergebnislos. Also beschloss der Gemeinderat im April schliesslich, im Kampf gegen den Vandalismus eine Art Kopfgeld auszusetzen. Hatte Brienz damit Erfolg?
Die 1000 Franken liegen noch immer in der Gemeindekasse. «Wir haben keine Hinweise erhalten», sagt Gemeindepräsident Peter Zumbrunn (SVP). Niemand habe sich gemeldet. Somit hat auch niemand die Belohnung erhalten. War die Aktion also ein Misserfolg? Das hängt von der Betrachtungsweise ab. Der Gemeindepräsident sieht es so: Es seien auch keine Falschmeldungen eingegangen, wie dies Kritikerinnen und Kritiker im Vorfeld befürchtet hatten. Zumbrunn konnte mit diesem Einwand nie viel anfangen. Es müsse ja stets überprüft werden, ob eine Aussage stimme. Nur eine Spur zu legen, reiche nicht, die Belohnung zu kassieren. «Es müssen Beweise vorliegen.»
Aber eben, weder Hinweise noch Beweise sind eingegangen. Trotzdem, so der Gemeindepräsident, sei die Massnahme ein Erfolg. Warum? Seit ihrer Einführung habe es im Ort keine Sachbeschädigungen mehr gegeben. «Es wurde weder gesprayt, noch wurden Scheiben eingeschlagen.» Somit sei das Ziel erreicht. Auch in Zukunft will die Gemeinde an der Praxis festhalten. Selbstverständlich hofft man, dass es weiterhin gar keine Sachbeschädigungen mehr gibt. Doch für den Fall der Fälle liegen die 1000 Franken bereit. «Es wäre schön, wenn sich alle Probleme so einfach lösen liessen», sagt Zumbrunn. (Carole Güggi)