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Welches Land das beste Corona-Krisenmanagement hat
Eine neue Untersuchung zeigt, dass die Schweiz aktuell in der Corona-Krise zu den sichersten Ländern der Welt gehört.

Marc Brupbacher, Patrick Vögeli

Trotz der weiterhin sinkenden Zahlen der Neuinfektionen hat sich die Epidemie in der Schweiz stark ausgebreitet. Am 15. April vermeldete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mehr als 26’000 laborbestätigte Covid-19-Fälle. Bisher starben knapp 1200 Personen im Zusammenhang mit dem Virus (alle Zahlen und Daten finden Sie in unserer Übersicht).

Eine Studie zeigt nun aber: In der Schweiz lebt es sich vergleichsweise sicher. Im Ländervergleich der Londoner Deep Knowledge Group (DKG) belegt die Schweiz in Europa den zweiten Platz der sichersten und stabilsten Länder hinter Deutschland. Die Denkfabrik mit Sitz in London untersucht fortlaufend Daten von verschiedenen Staaten. Am besten managt die Krise Israel. Auf den letzten Plätzen sind Italien und Spanien. Im weltweiten Vergleich fällt die Schweiz mit Rang 11 knapp aus den Top Ten. Südkorea, Australien und China gehören zu den führenden Ländern.

«Deutschland hat im Vergleich zu den anderen Ländern derzeit das beste Sicherheits- und Stabilitätsranking in Europa und gehört auch weltweit zu den führenden Nationen in Sachen Krisenmanagement», erklärt Datenexperte Dimitry Kaminsky, Gründer von DKG. Der Ansatz der Schweiz sei aber Deutschland sehr ähnlich. «Beide Länder waren zu Beginn mit einer grossen Anzahl bestätigter Covid-Fälle sehr stark betroffen, und beide waren durch ihre Nähe zu Italien und Frankreich sowie durch den starken Touristenstrom im alpinen Europa durch Skiurlauber stark betroffen.» In beiden Ländern habe sich die Situation stabilisiert, insbesondere im Hinblick auf die Infektionsausbreitungsrate. «Die Schweiz und einige andere europäische Länder wie Deutschland und Österreich haben es sehr früh geschafft, umfangreiche Notfallmassnahmen zu ergreifen, welche die Bevölkerung auch einhielt, und dies ist einer der wichtigsten Differenzierungsfaktoren des Landes im Vergleich zum Rest Europas. Es ist gelungen, die Situation innerhalb der eigenen Grenzen vollständig unter Kontrolle zu bringen.»

Die Datenwissenschaftler berücksichtigen für ihr Ranking eine Kombination von Parametern. So sammelten sie Daten darüber, seit wann in den Ländern erste Ausgangsbeschränkungen gelten, ob es viele Verstösse gab, wie gross das Ausmass der Reisebeschränkungen ist, die Verfügbarkeit von Covid-19-Tests und wie gut die Spitäler ausgestattet sind. Für das Rankingsystem nutzt DKG öffentliche Datenquellen, beispielsweise der Weltgesundheitsorganisation oder der Johns-Hopkins-Universität, und füttert damit einen Algorithmus.

Auch die Londoner Zeitung «The Times» findet in einem Gastbeitrag von Tyler Brûlé, Stilpapst und Gründer der Zeitschrift «Monocle», der seit Jahren in Zürich wohnt, lobende Worte für die Schweiz. In einem Beitrag unter dem Titel «Super effiziente Schweiz findet im Slalom heraus aus der Covid-19-Lawine» werden die Massnahmen als «halber Lockdown im schweizerischen Stil» beschrieben: Parks und Supermärkte blieben offen, niemand sei eingesperrt worden, die Leute konnten sich frei bewegen in Gruppen von weniger als 5 Personen. Entscheidend für den Erfolg seien die politischen Strukturen und der gesunde Menschenverstand, nachdem die Regierung handelt und die immer einen gemässigten Ton anschlägt. Vor allem die unkomplizierte und unbürokratische Wirtschaftshilfe für Unternehmen begeistern den Autor: «Man muss einfach ein Formular mit 6 Fragen ausfüllen, es der Bank schicken, und man erhält innerhalb von 24 Stunden 10% des Umsatzes ausbezahlt», schreibt Brûlé, der als selbstständiger Unternehmer selber um Hilfe bitten musste. «Können die so einen Entschied wirklich so schnell fällen? 18 Stunden später hatte ich meine Antwort: Die Überweisung von 500’000 Franken war auf meinem UBS-Konto eingetroffen.» Und weiter: «Selbst für Schweizer Verhältnisse war das extrem effizient und einfach.»

Auch der Bundesrat gibt der Schweiz gute Noten. Die Schweiz hat die erste Pandemie-Phase «nicht so schlecht gemeistert». Diese «Zwischenbilanz» zog Bundesrat Alain Berset nach einem Treffen mit der Berner Kantonsregierung. Bisher sei es «gut gegangen», sagte Berset. Vor Ostern «haben wir uns gefragt, ob die Leute durchhalten». Heute könne er feststellen, dass dies bislang der Fall gewesen sei. Doch das sei nur der Anfang gewesen. Weitere Etappen stünden bevor – und es sei ungewiss, was noch komme.