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Bas Kast im Interview
«Gesund essen? Das ist einfach»

Litt mit 40 an Herzrhythmusstörungen: Bas Kast. Foto: Mike Meyer
Bestsellerautor Bas Kast weiss, was man essen muss, um alt zu werden. Das Buch «Ernährungskompass» steht seit Monaten ganz oben auf der «Spiegel»-Sachbuchliste. Jetzt hat er mit einem Kochbuch nachgelegt. Wir haben nach der ultimativ gesunden Kost gefragt. Und zeigen exklusiv vier seiner Rezepte.
Von Silvia Aeschbach
Ihr Ratgeber «Der Ernährungskompass» ist eines der erfolgreichsten Sachbücher und wurde mehrfach ausgezeichnet. Sie haben dafür unzählige Ernährungsstudien ausgewertet. Wie viele waren es?
So genau kann ich das nicht mehr sagen. Aber ich würde vermuten, es waren mehrere Tausend.Was haben Sie herausgefunden?
Ich versuchte, den Stand der Forschung der vergangenen Jahrzehnte zusammenzufassen. Was weiss die Wissenschaft über eine gesunde Ernährung? Am Ende fasste ich zwölf Regeln zusammen. Das wichtigste Fazit lautet: Essen Sie echtes Essen, also Nahrung, die auch Ihre Urgrossmutter noch als Nahrung erkannt hätte. In der Praxis heisst das, dass man so viel wie möglich selbst kochen sollte, mit möglichst unbehandelten Zutaten aus der Natur statt aus der Industrie.Verraten Sie uns die fünf wichtigsten Tipps für eine gesunde Ernährung?
Regel Nr. 1 hatten wir schon: Echtes Essen. Nr. 2: Mehr Pflanzliches, weniger Tierisches. Nr. 3: Lieber Fisch als Fleisch. Nr. 4: Bei den Milchprodukten lieber die fermentierten (Joghurt, Quark, Kefir), nicht die Milch selbst. Nr. 5: Keine generelle Angst vor Fett!Der Auslöser für das Schreiben Ihres ersten Buches waren gesundheitliche Probleme. Was war los?
Herzrhythmusstörungen, insbesondere beim Joggen und im Stress. Eines Tages ging ich joggen und musste mit einem massiven Stich in der Brust stehen bleiben. Ich hatte das Gefühl als würde eine Faust mein Herz packen und es fest und ruckartig zusammenpressen. Das war ziemlich beängstigend.
Hafer-Porridge mit Himbeeren und Sonnenblumenkernen
4 EL feine Haferflocken
mit
100 ml heissem Wasser
übergiessen.
2–3 Datteln
waschen, halbieren, entkernen, klein schneiden und mit der Hälfte von
150 g gemischten Beeren
(Blaubeeren, Himbeeren etc.) pürieren.
1 EL Sonnenblumenkerne
rösten.
Eingeweichte Haferflocken mit Beerenpüree verrühren und mit den restlichen Beeren und Sonnenblumenkernen anrichten
Sie waren damals gerade 40 Jahre alt geworden. Und nach eigenen Aussagen waren Sie «fit wie ein Turnschuh».
Ich bin schon immer gern gejoggt. Aber meine Ernährung war nicht die Beste. Junkfood wie Pommes, Schokolade, Bier. Lange Zeit konnte ich essen, was ich wollte. Lange Zeit setzte auch nichts an. Und das Bäuchlein, das ich mit Mitte 30 ansetzte, konnte ich äusserlich gut verstecken und innerlich ignorieren. Jedenfalls so lange, bis die Herzprobleme kamen.Warum sollen Herzrhythmusstörungen mit der Ernährung zusammenhängen?
Es gab keine andere plausible Erklärung als meine unüberlegte Ernährung. Und ich fragte mich: Will ich mit dieser meine Gesundheit ruinieren? Eine existenzielle Frage, die dazu führte, dass ich mit meiner Recherche begann, von der ich nicht ahnte, dass sie mich Jahre in ihren Bann ziehen würde. Mein Ziel: Ich wollte mich selber heilen.Welche Konsequenzen haben Sie aus dieser Erfahrung für Ihre eigene Ernährung gezogen? Ernähren Sie sich so, wie Sie es in Ihrem neuen Kochbuch raten?
Nach dem Erfolg meines ersten Buches kamen wir mit dem neuen Buch einer Bitte vieler Leser nach, die mir Briefe und Mails schickten mit dem Wunsch nach passenden Rezepten. Ja, ich folge diesen Regeln auch. Sprich, ich esse vor allem ganze pflanzliche Lebensmittel plus gelegentlich, ein- bis zweimal die Woche, etwas fetten Fisch.Kochen Sie selber?
Ja, klar. Seit etwa vier, fünf Jahren bin ich der Koch in der Familie. Meine Frau kocht praktisch gar nicht mehr. Mit dem Kochbuch fing ich dann auch mittags an zu kochen, um Rezepte auszuprobieren. Das mache ich mittlerweile weniger, manchmal noch am Wochenende.
Kichererbsencurry mit Karotten und Minzjoghurt
1 rote Zwiebel
und
1 cm Ingwer
schälen und fein würfeln.
1 kg Karotten
schälen und in Scheiben schneiden. Alles in
2 EL Rapsöl
anbraten. Mit
750 g stückigen Tomaten
aufgiessen.
340 g gekochte Kichererbsen
abspülen und zum Gemüse geben. Mit
1 TL Kurkumapulver
und
1 TL gemahlenem Kreuzkümmel
und
Chilipulver
und
Salz
würzen.
Für den Minzjoghurt
Von
2 Stielen Minze
die Blätter abzupfen, hacken und mit
200 g Joghurt
und
1 Messerspitze Zimt
würzen.
Haben Sie ein Lieblingsrezept?
Die Fischfrikadellen mit Sauerkraut und die Lachsnudeln mag ich gerne. Aber auch viele Linsengerichte wie die Linsensuppe meiner Schwester, die ich gestern erst gemacht habe.Ernährung für Erwachsene ist das Eine. Sie sind auch Vater. Hand aufs Herz: Mögen die Kinder Ihre gesunde Kost?
Ach, das ist so schwierig (seufzt). Ich will ja meinen Kindern keine Essstörung anerziehen, deshalb halte ich mich da stark zurück. Aber klar, ich achte automatisch darauf, das passiert natürlich schon beim Einkaufen. Am meisten versuche ich, den Zucker zu reglementieren. Also, es gibt bei uns keine Cola oder so. Süssigkeiten nur manchmal. Und beim Abendessen bieten wir oft eine Auswahl an verschiedenen Gerichten an, die alle halbwegs gesund sind, wie zum Beispiel Nudeln mit Tomatensauce oder zur Not auch nur ein Joghurt mit Banane, falls sie nicht so viel Hunger haben.Gibt es überhaupt eine generelle gesunde Ernährung? Denn was für den einen Menschen bekömmlich ist, ist für den anderen unverträglich.
Klar gibt es die. Cola und Pommes und Wurst ist für niemanden gesund. Umgekehrt gibt es keinen Menschen, dem Gemüse schaden würde. Insofern gibt es selbstverständlich universelle Prinzipien. Man soll so viel wie möglich Vollkornprodukte, Gemüse, Hülsenfrüchte und Obst zu sich nehmen. So einfach ist das. Der Rest ist Beiwerk.Die richtige Ernährung scheint bei vielen zu einem Religionsersatz geworden zu sein.
Ja, das ist schon langsam zu einem Klischee geworden. Es stimmt schon, dass manche Leute es übertreiben, dann hat es was von einer Sekte oder Religion. Mich interessiert das nicht. Mir ging es darum, mich selbst zu heilen. Wenn es um dein Leben geht, interessierst du dich für das, was wirkt. Nicht mehr und nicht weniger. Ich weiss auch, dass man nicht so superstreng sein muss, um gesund zu leben. Lieber weniger streng und damit langfristig gut leben können.
Ofengemüse mit gratiniertem Ziegenkäse und Zimt-Tomatendip
400 g Zucchini
400 g Auberginen
und
300 g Paprika
waschen, putzen und in ca. 1 cm grosse Stücke schneiden. Mit
4 EL Olivenöl
und
4 Zweigen Rosmarin
auf ein Backblech geben und bei 200 °C Ober- und Unterhitze ca. 40 Min. backen, bis das Gemüse weich ist. Dann
4 Scheiben Ziegenkäse
auf das Gemüse legen und übergrillen.
Für den Zimt-Tomatendip
1 Zwiebel
fein würfeln.
250 g Tomaten
waschen und klein schneiden. Zwiebel in
1 EL Olivenöl
andünsten.
50 g Rote Linsen,
die Tomaten und
100 ml Gemüsefond
dazugeben und in ca. 15 Min. weich kochen. Von
5 Stielen Minze
die Blättchen abzupfen und fein hacken. Zusammen mit
1 Messerspitze Zimtpulver
zu den Tomaten geben und mit
Salz
und
Chilipulver
abschmecken.
Durch gesundes Essen den Alterungsprozess zu verzögern, erhoffen sich viele Menschen mittleren Alters. Ist dies überhaupt möglich?
Ja, wir wissen seit über 100 Jahren, dass weniger Essen («Kalorienrestriktion») das Leben so gut wie aller getesteten Organismen und Tiere verlängert. Inzwischen hat man herausgefunden, dass es einen Nährstoff gibt, der den Alterungsprozess ankurbelt: Es ist das Protein oder Eiweiss. Vor allem tierisches Eiweiss in Form von Fleisch oder Milch erscheint mir ungünstig. Diese Lebensmittel kurbeln Wachstumsprozesse an, und Wachstum geht einher mit Alterung. Um den Alterungsprozess zu bremsen, müssen Sie den Körper vom Wachstums- in den Wartungsmodus überführen. Das geht durch weniger essen – oder durch eine hauptsächlich pflanzliche Kost.Gute Fette in Nüssen oder Ölen werden momentan von vielen Ernährungsfachleuten als Gesundmacher gepriesen.
Gute Fette sind sehr empfehlenswert, das gilt insbesondere auch für Nüsse. Eine Handvoll Nüsse täglich senkt das Sterblichkeitsrisiko deutlich, das geht aus diversen Studien hervor. Ich kann nur zum Nusskonsum raten! Die meisten Öle sind ebenfalls sehr empfehlenswert, in erster Linie vielleicht Olivenöl, Rapsöl und Leinöl.Zucker steht dagegen bei den meisten Fachleuten sehr schlecht da. Aber macht hier nicht auch die Menge das Gift?
Doch, klar. Das Problem aber ist, dass wir die Mindestmenge bei weitem überschreiten. Wir essen viel zu viel Zucker. Das liegt nicht an dem kleinen Löffel Zucker, den wir uns in den Kaffee rühren. Es liegt an dem versteckten Zucker in den verarbeiteten Lebensmitteln. Eine Dose Cola ist schon zu viel Zucker! Aber Zucker ist ja auch in Fruchtjoghurts oder Bio-Tomatensaucen, die wir für gesund halten. Oder in diversen Müesli-Sorten. Das Problem ist nicht das Dessert, das man immer wieder mal geniessen kann. Das Problem ist, wenn bereits unser Frühstück mit dem Dessert beginnt.Warum ist es für uns so schwierig, auf Zucker zu verzichten?
Mir fällt es gar nicht so schwer. Man muss sich ein bisschen entwöhnen, dann geht es.
Basilikum-Joghurt-Mousse mit Erdbeerpüree
Von
1 Bund Zwerg- oder Thai-Basilikum
die Blättchen abzupfen und hacken.
500 g Erdbeeren
waschen, das Grün entfernen und 250 g mit
1/2 Banane
und
500 g Joghurt
und dem Basilikum pürieren.
10 g Guarkernmehl
einrühren.
Den Rest der Erdbeeren achteln.
40 g 90-prozentige Schokolade
mit dem Messer grob raspeln.
Basilikum-Joghurt-Mousse in Gläser abfüllen und mit Erdbeeren und Schokoraspeln servieren.
Wie sieht es mit Milch aus? Soll man sie trinken?
Ja, ein sehr umstrittenes Thema. Ich halte Milch für ein Wachstumsgetränk. Muttermilch ist super für Babys, um sie schnell wachsen zu lassen. Aber Kuhmilch? Und dann für Erwachsene? Bei uns wächst ja nicht mehr so viel, ausser Krebs. Milch wird zum Beispiel in Zusammenhang mit einem erhöhten Prostatakrebsrisiko gebracht. Man sieht, dass Menschen, die keine Milch vertragen, systematisch weniger von bestimmten Krebsformen betroffen sind. Klar, auch hier macht die Dosis das Gift. Früher habe ich immer noch einen Schuss Milch in den Kaffee getan, und das ist bestimmt okay. Inzwischen aber habe ich entdeckt, dass mir Hafermilch viel besser schmeckt. Ich halte sie auch für eindeutig gesünder!Was empfehlen Sie, wenn jemand auf gesunde Weise ein paar Kilo abnehmen möchte?
Viele pflanzliche Lebensmittel essen, vor allem mit reichlich Protein in diesem Fall, insbesondere Broccoli, Spinat und Spargeln. Dann natürlich Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen und Kichererbsen (Hummus). Sie enthalten nicht nur viel sättigendes Protein, sondern auch sättigende Ballaststoffe. Dazu vielleicht regelmässig Olivenöl und ein kleines Schälchen Joghurt mit Beeren wie Blaubeeren. Joghurt gehört manchen Studien zufolge zu den «Schlankmachern» Nummer eins! Nüsse sind auch gut, vermutlich weil sie ebenfalls sehr gut sättigen. Dann reichlich Omega-3-Quellen essen, in Form von Leinsamen, Chia-Samen, aber auch ab und zu ein Stückchen Lachs, Hering, Makrele oder Forelle. Zusätzlich noch Vollkornprodukte wie ein Vollkornbrot oder Haferflocken.Als ziemlich neue, schlank machende Ernährungsform wird momentan Intervallfasten gepriesen. Man isst nur zu gewissen Zeiten, dazwischen wird pausiert. Was halten Sie davon?
Die Nahrungsaufnahme zeitlich zu begrenzen, finde ich einen guten Ansatz. Diese Form von Intervallfasten lässt sich leicht durchhalten und ist eventuell auch hilfreich. Jedenfalls ist es einen Versuch wert.
Der deutsch-niederländische Wissenschaftsjournalist und Autor Bas Kast (46) schrieb 2018 mit«Der Ernährungskompass – Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung» einen Bestseller, der zum «Wissensbuch des Jahres 2018» gekürt wurde. Der Ratgeber steht immer noch auf der Schweizer Sachbuch-Bestsellerliste.

Sein neues Buch«Der Ernährunskompass – Das Kochbuch» fasst 111 Rezepte zusammen, die auf seinen Recherchen beruhen, und die sowohl gesund wie schmackhaft sein sollen. Beide Bücher sind im Verlag C. Bertelsmann erschienen.